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January 20, 2021
7
min Lesezeit
Patrick Möller
-
Category:
Onlinehandel

Ab Juli 2021: Änderungen der Lieferschwellen in der EU und neue Umsatzsteuerpflichten für Online-Händler

Ab dem 1. Juli 2021 gelten neue Steuerpflichten für Online-Händler. Ursprünglich für den 1. Januar 2021 angesetzt, wird das 2017 von der EU verabschiedete Ecommerce-Steuerpaket nun im Sommer in Kraft treten. Besonderes Augenmerk liegt bei den neuen Gesetzen auf den überarbeiteten Lieferschwellen – allgemein ändert sich vieles für den Online-Handel. Wir verraten die Details.

Umsatzsteuer-Lieferschwelle: Was ist das eigentlich?

Die interessanteste Änderung aus dem Ecommerce-Steuerpaket betrifft die sogenannten Umsatzsteuer-Lieferschwellen. Das sind je nach EU-Mitgliedstaat unterschiedlich festgelegte Grenzwerte, die einen Händler zu einer Umsatzsteuerpflicht führen, sobald er diese überschreitet. Das hat zur Folge, dass er eine Umsatzsteuer-ID in dem jeweiligen Land, in dem er den Grenzwert überschritten hat, beantragen muss und künftig hier Steuererklärungen, sowie Voranmeldungen einreichen und ebenso andere Steuerpflichten erfüllen muss.

Zu der Umsatzsteuerpflicht kommt es, wenn ein Online-Händler einen jährlichen Netto-Umsatz in der Höhe der Lieferschwelle überschreitet, der aus den Verkäufen von Waren aus Land A nach Land B erwirtschaftet wird. Aktuell liegen die Lieferschwellen der EU-Mitgliedstaaten in der Regel zwischen 35.000,- EUR und 100.000,- EUR. Das ändert sich jedoch künftig.

Die aktuelle Regelung der Lieferschwellen in der EU

Die Lieferschwellen betreffen den grenzüberschreitenden Handel und erhalten demnach erst Relevanz, wenn mit dem Verkauf ins EU-Ausland begonnen wird und dort bereits höhere Umsätze erzielt werden. Denn: Solange du mit deinen Verkäufen ins EU-Ausland die Lieferschwellen nicht überschreitest, versteuerst du deine Umsätze wie üblich in Deutschland. Erst mit Überschreiten der Lieferschwelle, versteuerst du im jeweiligen EU-Ausland.

Beispiel: Du bist Händler A mit Sitz in Deutschland. Nun beginnst du, deine Produkte ebenso nach Frankreich zu verkaufen. Die Lieferschwelle in Frankreich liegt bei 35.000,- EUR. Wenn du bis Jahresende weniger als 35.000,- EUR Umsatz durch Verkäufe an Kunden in Frankreich erwirtschaftet hast, versteuerst du diese Umsätze einfach in Deutschland. Wenn du aber merkst, dass du bis Jahresende die 35.000,- EUR erreichen oder sogar überschreiten wirst, musst du diese Umsätze in Frankreich versteuern. Um das tun zu können, musst du dich in Frankreich umsatzsteuerlich registrieren.

Die neue Lieferschwellen-Regelung ab Juli 2021

Aktuell kann jeder EU-Mitgliedstaat seine Lieferschwelle individuell festlegen. Um die Lieferschwellen-Thematik zu vereinfachen, hat sich die EU mit Wirkung ab Juli 2021 darauf verständigt, eine einheitliche Lieferschwelle festzulegen, die für ganz Europa gilt. Diese neue Lieferschwelle liegt bei 10.000,- EUR – und gilt nicht individuell für jedes EU-Land, sondern für alle gemeinsam.

Bedeutet: Sobald dein Umsatz mit Verkäufen in die EU die 10.000,- EUR netto im Jahr überschreitet, musst du dich in jedem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registrieren, in das du Waren verkaufst. Ab diesem Zeitpunkt versteuerst du die Waren nicht mehr in dem Land, aus dem du sie verschickst, sondern in dem, in das du sie verkaufst.

Verkäufe von Deutschland nach Deutschland bspw. sind davon aber ausgenommen. Die Regelung betrifft ausschließlich grenzüberschreitende Verkäufe.

Ab wann gilt die neue Lieferschwellen-Regelungen?

Die neue Regelung wurde im Jahr 2017 beschlossen und sollte ursprünglich am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Dieser Termin wurde jedoch bedingt durch die weltweite Pandemie verschoben, sodass die neue Lieferschwellen-Regelung nun Stand jetzt am 1. Juli 2021 in Kraft treten soll.

Weitere Gründe für eine Umsatzsteuer-Registrierung

Nicht nur die Lieferschwelle ist ein Grund für eine Umsatzsteuer-Registrierung im Ausland. Ein weiterer Anlass, der dich dazu verpflichtet, dich für eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im EU-Ausland zu registrieren, ist die Lagerung von Waren. Lagerst du als deutscher Händler deine Waren z.B. in Frankreich, musst du dich ebenso in Frankreich umsatzsteuerlich registrieren.

Das betrifft bspw. Amazon-Händler, die einen FBA-Service nutzen und zu diesem Zweck Waren in den Warenlagern von Amazon unterbringen. Wenn sie das tun, müssen sie sich überall dort umsatzsteuerlich registrieren, wo Waren von ihnen gelagert werden. Neben der Registrierung gehen damit ebenso die anderen steuerlichen Pflichten wie Steuerbescheide, Voranmeldungen, o.Ä. einher.

Sinn und Zweck der Lieferschwellen-Reform

Wie bei vielen anderen Reformen liegt die Ursache für die Änderung der Lieferschwellenregelung in Steuerverlusten der einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Durch bestimmte steuerliche Regelungen und andere Regelungen, die es nicht gab, aber hätte geben sollen, kam es zu Umsatzsteuerverlusten von mehreren Milliarden Euro jährlich. Durch die Reform soll das künftig nicht mehr passieren.

Zudem ist Ecommerce im geschichtlichen Rückblick betrachtet immer noch eine sehr neue Branche, die dafür umso schneller wächst. Hier war es an der Zeit, sich diesem Wachstum anzupassen und neue Regelungen zu definieren, um sowohl den Bedürfnissen des Staates als auch den Bedürfnissen der Händler gerecht zu werden.

Weitere Änderungen ab dem 1. Juli 2021

Das Ecommerce-Steuerpaket hält jedoch nicht nur Änderungen am grenzüberschreitenden Handel bereit, sondern sieht ebenso Änderungen in den folgenden Bereichen vor:

  • Mini-One-Stop-Shops (MOSS)
  • Kleinbetragssendungen
  • Steuerschuldnerschaft von Online-Plattformen

Welche Änderungen das im Detail sind, verraten wir in den folgenden Absätzen.

Ausweitung der Mini-One-Stop-Shops (MOSS)

Die Einführung der europaweiten Lieferschwelle wird dazu führen, dass sich Online-Händler deutlich früher und in deutlich mehr Ländern für die Umsatzsteuer registrieren müssen. Um diesen Prozess zu vereinfachen, wurde das MOSS-Verfahren eingeführt.

Wer sich für dieses Verfahren entscheidet, muss sich nicht in jedem Mitgliedstaat registrieren, sondern kann die anfallende Umsatzsteuer von einer Anlaufstelle aus managen, wie z.B. dem Deutschen Bundeszentralamt für Steuern. Wer sich dagegen entscheidet, muss sich in allen EU-Ländern, in die er verkauft, registrieren und die dortigen Umsatzsteueraufgaben und -pflichten erfüllen.

Steuerbefreiung von Kleinbetragssendungen abgeschafft

Waren aus Drittländern, die einen Warenwert von 22,- EUR unterschreiten, unterliegen derzeit einer Einfuhrumsatzsteuerbefreiung. Diese Regelung wird jedoch mit dem 1. Juli 2021 entfallen.

Die Abschaffung der Steuerbefreiung soll einen Wettbewerbsnachteil der EU-Unternehmen ausgleichen.

Umsatzsteuer-Regelungen für Marktplatzbetreiber überarbeitet

Sie sind bereits gängiger Bestandteil der meisten Ecommerce-Pakete der vergangenen Jahre: Änderungen an der Haftung von Marktplatzbetreibern, wie bspw. Amazon oder ebay. In diesem konkreten Fall bedeutet das, dass Verkäufe, die an Endkonsumenten getätigt werden, die einen Warenwert von 150,- EUR überschreiten, in die Verantwortung der Betreiber der Online-Plattform fallen in Hinblick auf die Abführung der Umsatzsteuer.

Für Händler bedeutet das voraussichtlich, dass die Plattformen immer genauer darauf achten werden, dass sie umsatzsteuerlich korrekt registriert sind und Nachweise darüber erbringen müssen.

Fazit

Das neue Ecommerce-Steuerpaket bringt durchaus positive Änderungen für Online-Händler mit sich und vereinfacht die Abwicklung der Steuer. Zwar müssen sie sich theoretisch nun schneller in mehr EU-Mitgliedstaaten registrieren, durch die neue MOSS-Regelung kommt es jedoch sogar zu einer Vereinfachung. So können Händler von der neuen Regelung profitieren.

Online-Händlern empfehlen wir, die Geschehnisse um das neue Paket aufmerksam zu verfolgen, um rechtzeitig die richtigen Maßnahmen dafür zu ergreifen. Da die Regelungen wegen Corona schon mal um ein halbes Jahr verschoben worden sind, kann das durchaus erneut passieren, zumal die Welt noch nicht wieder im Normalzustand weiterläuft. Hier bleibt es einfach wichtig, zu beobachten, wann die Regelungen nun tatsächlich in Kraft treten und sich dementsprechend darauf vorzubereiten. So kann das neue Steuerpaket Händlern die eine oder andere Steuerangelegenheit vereinfachen.

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